Leserauto: 1970er Ford Mustang Convertible 351 Cleveland von Iris Sroufek

Mit den Highschoolgören, die zum Schulabschluss vom stolzen Daddy einen Mustang geschenkt bekommen, hat Iris Sroufek nichts gemeinsam. Ihr Mustang auch nicht. Das weiße Siebziger-Cabrio hat nicht nur den seltenen 351-Cleveland-Motor unter der Haube, er ist auch weltweit der Einzige mit der auffälligen Shaker Hood Scoop obendrauf. Nochmal zum Genießen: DER EINZIGE…

Wo soll man anfangen … Vielleicht mit Iris. Die so gar nicht in die Schublade adrenalinsatter Petrolheads passt, die sich häufig ins Steuer PS-starker Ponys verbeißen. Die Niederösterreicherin ist freundlich, zugewandt und herzerfrischend unkompliziert. Auch ihr Beruf steht scheinbar im völligen Gegensatz zu ihrer Leidenschaft: Iris unterrichtet angehende Fahrzeugbauer an einer Landesberufsschule in Niederösterreich. Politische Bildung, Betriebswirtschaft, Rechnungswesen, Deutsch und Englisch – das ganze trockene Zeug. Dank ihres Mustangs aber doch nicht so trocken. „Wenn man am lebenden Objekt zeigen kann, worum es geht, zieht man auch den Letzten mit“, freut sich Iris, und man kann sich vorstellen, wie den jungen Leuten die Kinnlade runterklappt, wenn sie statt der erwarteten Mittelklasselimo das Pony entdecken. Zur Mustang-Leidenschaft kam Iris durch ihren Mann Roman. Als studierter Maschinenbauer mit eigenem Ingenieurbüro und Gutachter für US-Oldtimer sitzt er sozusagen an der Quelle und gab gleich Laut, als ihm das weiße 70er Cabrio vor zehn Jahren über den Weg rollte. Exportmodell, ausgeliefert in die Schweiz, dort gemeinsam mit dem Vorbesitzer gealtert und schließlich nach Österreich verkauft. Von den Horsepowerwars der US-Suburbs hatte das Pony nichts mitbekommen, im braven Europa entging es auch dem Verheiztwerden durch unterbelichtete Vokuhila-Kids aus Wyoming oder Texas.

Der optische Eindruck des Convertibles war gut, doch welch seltenen Vogel er da tatsächlich gefangen hatte, war Roman noch nicht bewusst: Das Hauptaugenmerk lag zunächst auf dem Baujahr, zufällig dem gleichen wie dem seiner Gattin. Nach und nach kamen die Alleinstellungsmerkmale ans Tageslicht, denn Roman restaurierte gemeinsam mit einem Freund den Mustang fachgerecht, dokumentiert in dicken Ordnern mit gut 600 Fotos. Er selbst fährt übrigens seit 30 Jahren einen 72er Dodge Ralley Charger – braucht es noch mehr Beweise, dass der Mann für Klassiker brennt?

Iris war im siebten Himmel, legte sämtliche automobile Evolutionsstufen inklusive ungeliebter Gas- und Hybridantriebe beiseite und zähmte den Mustang. Das absolute Highlight in der Full-Options-Liste dieses Ponys: der Motor, der legendäre „Cleveland Big Block“, benannt nach dem Montagewerk von Ford, erstmals eingesetzt im 1970er Mustang. Im Gegensatz zu den gängigeren „Windsor Small Blocks“, die es ebenfalls mit 5,7 Liter Hubraum gab, waren die Cleveland-Motoren immer die Basis PS-starker Konfigurationen wie etwa dem 71er Mustang Boss, erkennbar an großzügig dimensionierten Kühlwasser-Kanälen, größeren Haupt- und Pleuellagern und üppigen Wandstärken des Blocks. Fahrzeuge mit Cleveland Motoren sind gesucht und begehrt, wenn es um Leistung, Seltenheit und Werterhalt geht. Zusammen mit der extrem raren Hutze auf der Haube, elektrischem Verdeck, Automatikgetriebe, Servolenkung, Bremskraftverstärker und Scheibenbremsen vorne ist Iris´ Convertible ein On-of-one, belegt durch Gutachten und den bei Insidern wie die Bibel verehrten Marti-Report.

Die komfortable Ausstattung, Sportsitze mit Nackenstützen, der urige Kassettenrecorder, der seinerzeit mehr Aufpreis kostete als die Cleveland-Motoroption: Iris genießt ihr Cabrio in vollen Zügen, sogar Hund Railey darf als Hinterbänkler mit. Ausfahrten mit anderen Classics-Eignern, Besuch von Rallyes wie jüngst die Ennstal-Classic und natürlich die idyllischen Hügel des Weinviertels vor der Haustür erfahren: Österreich ist klein, die US-Car Community erst recht und so ist es klar, dass ein Netzwerk von Freunden amerikanischer Automobilkultur entstanden ist, die sich immer wieder über den Weg laufen. „Wenn du einen Beruf mit so vielen Regeln hast, dann ist der Mustang eine schöne Alternative“, meint Iris, die  Besserwissern und Kritikern auf  charmante Weise den Wind aus den Segeln nimmt: Sie lädt sie einfach zu einer Spritztour ein. Spätestens dann verstehen sie, was Iris so fasziniert, merken, dass so ein Klassiker einen unglaublichen Spaß macht und auch das Geschwätz von Spritschlucker und Umweltblabla verstummt. „Es ist nachhaltiger, ein altes Auto zu fahren, als alle paar Jahre ein neues von der Stange zu kaufen“, argumentiert Iris schlüssig, wohl auch der Grund, warum sie neben dem Cabrio noch eine klassische Harley-Davidson Softail  bewegt. Und was macht die Frau, wenns regnet? „Dann hab ich noch einen Mercedes 350 SL mit Hardtop“, lacht sie, „der hält dicht.“ Um noch mal auf die Berufsschule zurückzukommen: Die Jungs haben auf jeden Fall was zu gucken, wenn Frau Sroufek anrollt. Egal, mit was …

Technische Daten

Ford Mustang Cabrio

Baujahr: 1970
Motor: V8
Hubraum: 351 cui/5.700 cm3
Leistung: 221 kW/300 PS
Beschleunigung 0-100 km/h in 5,9 s
Vmax: 185 km/h
Drehmoment: 414 Nm @ 4.100/min
Antrieb: Hinterräder
L/B/H: 4.613/1.730/1.300 mm
Getriebe: Automatik
Gewicht: 1.372 kg

Text: Marion Kattler-Vetter, Fotos: Daniel Murgg

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