Mit 36 einen 88 von 70

In den Genuss des unzerstörbaren Triebwerks kam Claudia leider nicht sofort, als sie mit ihrem Mann ihr gerade angekommenes erstes Auto am 6. Januar 2014 vom Lastwagen schieben musste. Mitten in der Nacht bei strömendem Regen waren Tank und Batterie leer. Ziemlich enttäuscht kippten die beiden Sprit nach und hängten den Bleiakku über Nacht ans Ladegerät – und am nächsten Morgen sprang der Delta auf Anhieb an und grummelte zufrieden und gesund vor sich hin.
Im Kofferraum fanden sich überraschend eine neue Benzinpumpe und eine neue Lichtmaschine, die anscheinend auch beide nötig waren. Also rein damit. Auf dem monatlichen US-Car-Stammtisch zeigten sich die Freunde schon „alarmiert“, und mit vielen helfenden Händen und unersetzlichen Erfahrungswerten in Sachen Ami-Schraubereien brachte man gemeinsam den Olds erfolgreich durch den deutschen TÜV.

Platz für eine ganze Studenten-WG. 1970 war Downsizing noch kein Thema

Was aber nicht das Ende der Geschichte sein sollte: Gleich auf der ersten Fahrt nach Hause hängten sich die Gesetzeshüter an Claudia, neugierig geworden wegen der noch in den Fenstern liegenden Nummernschilder. Deutsche Cops sind auch nur Menschen: Die Beamten interessierten sich vor allem für den wuchtigen Motor und die Größe des Kofferraums – und vergaßen am Ende völlig, sich die Papiere zeigen zu lassen… Die für amerikanische Verhältnisse hohe Qualität des Autos bewies sich in den wenigen Teilen, die im Laufe der folgenden Monate repariert werden mussten. Außer der „mitgelieferten“ Benzinpumpe und der LiMa ersetzte Claudia nur noch den Hauptbremszylinder, die Wasserpumpe, die Wischwasserpumpe und die Reifen. Der Auspuff war eigentlich noch völlig okay, aber für ihren persönlichen Geschmack wurde der Ami auch akustisch ab Werk ein bisschen zu sehr auf Komfort getrimmt. Dieses Manko ließ sich mit einer neuen Flowmaster-Anlage lösen, und seitdem hört man dem roten Dickschiff auch an, dass vorn acht Töpfe mit explodierendem Benzin werkeln. Wunderbar.


Diese Kombination aus Hochglanz-Optik mit ein paar Pinstripes und bulligem Sound verdreht auch die Köpfe der wenigen Passanten am Straßenrand, als wir auf dem Weg ins Kieswerk sind. Der Regen prasselt nieder wie in der Januarnacht, als der Oldsmobile geliefert wurde. Trotzdem bekommt das riesige Auto etliche „Like“-Daumen, auch von denen, die mit Facebook nichts am nassen Hut haben.
In den wahrhaft großen Kofferraum tröpfelt es bei diesem Wetterchen ein bisschen hinein, und auch die Türdichtungen sind mit den Jahren etwas härter und kürzer geworden. Das norddeutsche Wetter pfeift beizeiten böig in den Fußraum, aber das stört die Deern am Steuer überhaupt nicht. Bei besserem Wetter hält ihr Delta 88 auch gern mal als Hochzeitskutsche oder Fotorequisite her, der Lack ist noch gut gewachst und die Tropfen perlen daran lustig ab.