Raser für Rookies: Ford Escort RS 1600 BDA

Ein Kühler im Hundeknochen-Design, eine Anmutung wie Muttis Einkaufsflitzer mit Wackel-Dackel, aber ein Rallye-As, das seinesgleichen sucht: Der Escort RS 1600 ist Rallye-Legende, Renngerät und Beststeller im Ford-Programm

In den Siebzigern tickte die Rallyewelt noch anders. Man lenkte vor Kurven in die falsche Richtung, schlidderte quer hinein und balancierte das Ganze im Drift aus, bis es wieder geradeaus ging. Die Zuschauer bekreuzigten sich, die Fahrer nahmen die Strecke überwiegend aus den Seitenscheiben wahr und aus Traktion, Gewichtsverteilung und direkter Kurvenlinie machte niemand eine Wissenschaft. Hauptsache, das Heck hing massiv raus als Beweis, dass man schnell war. Es war die hohe Zeit der beinharten Finnen wie Timo Mäkinen und Hannu Mikkola  – und eines kleinen Ford aus England: dem Escort RS 1600.

Ford schickte längst den eher behäbigen Cortina auf die Piste, doch der Drang nach mehr Performance forderte Tribut. Daher griff sich die Cosworth Motorsportabteilung 1967 einen Vorserien-Prototyp des kleinen, agilen Escort und pflanzte die guten Teile aus dem Cortina in das neue Modell, allen voran den Lotus-Doppelnockenwellenmotor. Und siehe da, das Ding ging ab wie Schmitz´ Katze. In der Straßenversion leistete das Twin-Cam-Biest 109 PS – das reguläre Escort-Topmodell GT hatte gerade mal 64 PS. Wer gerade mitleidig grinst: Wir reden von Zeiten, als es ein ernsthafter Mittelmotor-Sportwagen namens VW Porsche 914 auf stolze 80 Pferde brachte …

Im Rallyetrimm war der Escort TC natürlich stärker und drückte 175 PS auf die starre, blattgefederte Hinterachse, die das Querfahren zur natürlichen Fortbewegungsart des Escort machte. Siege bei Tulpen-, Irland-, Alpen-, 1000-Seen- und Akropolis-Rallye begründeten den Mythos des Escort, 1969 holte Ford die Markenweltmeisterschaft und siegte mit Hannu Mikkola bei der  24.000-km-langen World-Cup-Rally London–Mexico. Die Konkurrenz konterte mit Renault Alpine und Porsche in der WM und Ford antwortete mit noch mehr Power im RS 1600 – RS steht übrigens für Rallye Sport. Statt des Lotus-Doppelnockenwellenmotors bekam er einen von Cosworth, Kurzname: BDA, was Belt Drive A Series bedeutet. Der Motorblock war der gusseiserne Kent-Block aus zahlreichen Limos, befeuert allerdings vom Vierventil-Zylinderkopf mit zwei oben liegenden Nockenwellen. Der RS hatte zunächst 1601 ccm, damit man in der Zweiliter-Klasse antreten konnte, der Hubraum wurde aber stetig gesteigert. Am Ende leistete der Cosworth BDA 270 PS, die Straßenvariante, von der es nur ein paar wenige nach Deutschland schafften, brachte mit Dell’Orto-Vergasern 115 PS.

Der hier vorgestellte Gelbfrosch liefert (mindestens) l50 PS ab und sieht in seinem unspektakulären Gewand immer noch ein wenig wie das Vehikel einer britischen Hockey-Mom aus. Auch innen setzt sich die Familienwelt im flächendeckenden Grau fort. Als simpler Schmuck dienen Löcher in den Lenkradspeichen und in den Pedalen, aber: Die Schalensitze lassen ahnen, dass da mehr Power lauert. Derart vorgewarnt, ist das Fahrverhalten tatsächlich so, wie man es sich bei einem Wolf im Schafspelz erhofft: Alles geht wunderbar exakt, die Lenkung flutscht direkt ums Eck, das Fahrwerk meldet alles, was die Reifen erleben, ungefiltert und ohne Gnade an die Passagiere. Und die Bremsen? Hart, aber fair … Last, but not least der Sound: kehlig röchelnd, genüsslich schlürfend – da wünscht man sich tatsächlich mal keinen Achtzylinder.

Angesichts der Tatsache, dass dieser seltene, originale RS einer von nur 27 gebauten Linkslenkern ist, eine komplette Überholung des Cosworth BDA-Alublock-Motors von Classic Competition erfuhr, mit exzellentem Zustand und sämtlichen Protokollen und Diagrammen aufwartet, verwundert es nicht, welcher Preis da aufgerufen wird. Allein der Motor kostet locker 15.000 Euro, komplett sind diese Autos erst ab 60.000 zu kriegen. Wer was vermeintlich Günstigeres entdeckt: Vorsicht! Die Zahl der Fälschungen ist kriminell hoch. Bei unserem gelben Testimonial stimmt alles, der RS kommt mit TÜV, H-Kennzeichen und vielen Originalteilen als Goodie. Fazit; Wer einen Escort RS 1600 BDA hat, besitzt eine feine Wertanlage, die große Freude macht, ihn zu fahren. Bei solch edlem Zeitzeugen sollte man sich aber doch zweimal überlegen, ob man die Kurven wirklich quer nimmt … der Blick aus der Frontscheibe hat doch auch was für sich …

Technische Daten

Ford Escort RS 1600 BDA

Baujahr: 1973
Motor: Reihenvierzylinder
Hubraum: 1.640 cm3
Leistung: 110 kW (150 PS)
Max. Drehm.: 149 Nm bei 4.500/min
Getriebe: 4-Gg. manuell 
Antrieb: Hinterräder
L/B/H in mm: 3.975/1.570/1.384
Gewicht: 874 kg
Beschleunigung 0-100 km/h in 8,1 s
Top-Speed: >190 km/h
Preis: 69.900 Euro

Highlights:

16 Ventile
im Cosworth-Motor beflügeln den  RS 1600 zu internationalen Siegen und – endlich – internationaler Anerkennung

1200 Stück
entstanden vom erfolgreichen 1200 RS, davor gab es den TC, danach den RS 2000 mit weniger nervösem Pinto-Motor

15.000 Euro
aufwärts kostet grob gerechnet alleine der Cosworth-Motor des RS. Wenn man die ganze Pracht möchte, ist man ab 60.000 Euro aufwärts dabei

Vorgänger

Ford Anglia 1940-1967

Derr Anglia wurde in vier Generationen hergestellt. In Australien und Neuseeland bot Ford unter dem Namen Anglia eine Reihe von Limousinen an, die den britischen Modellen ähnelten, aber nicht vollständig übereinstimmten. In Deutschland wurde der Anglia nicht angeboten, erst der Nachfolger Escort ab 1968

Nachfolger

Ford Focus seit 1998

In den meisten Ländern war er der Nachfolger des Escort, in Asien und Australien ersetzte er den Ford Laser. Sowohl in Europa, den USA als auch in Asien waren und sind die Kompaktwagen Bestseller, die Produktion des Focus wird 2025 auslaufen

Das Fotofahrzeug wurde uns zur Verfügung gestellt von: Classic Cars Dornstetten

Text: Redaktion, Fotos: Classic Cars Dornstetten

 

Diese Beiträge könnten Dir auch gefallen:

Facebook
Twitter
Pinterest
Tumblr