Saab Sonett III 1974 – Ein netter Schwede

Mit dem Sonett versuchte die Flugzeugmarke Saab einst, im Sportwagenmarkt mitzumischen. Das ist zwar nicht gelungen, heute aber schwören eingefleischte Fans auf das seltene Auto – der Hamburger Kaufmann Jan-Hendrik Dräger hat sich ein Exemplar der dritten und letzten Generation gesichert

Ob er das ernst meinte oder ein gewisser sarkastischer Unterton mitschwang, ist nicht überliefert. Auch, ob sich die ganze Geschichte wirklich so zugetragen hat, steht nicht hundertprozentig fest. Jedenfalls soll Saab-Designer Sixten Sason beim Anblick des ersten Sportroadsters der schwedischen Flugzeugfirma gesagt haben: „Sa° nätt!“ – was überraschungslos auf deutsch auch nichts anderes heißt als: „So nett“. Aber schön ist die Geschichte über die Namensgebung des Saab Sonett schon.

Nett fand auch der selbstständige Hamburger Kaufmann Jan-Hendrik Dräger den Sport-Saab der letzten Generation – erst recht aber selten. „Ich habe mich schon lange in der Oldtimerszene wohl gefühlt und Messen und Treffen besucht – aber bis ich mich für einen eigenen Wagen entschied, dauerte es doch lange.“ Vor drei Jahren war es dann soweit – und als Saab 2000-, Saab Cabrio- und Volvo-Fahrer kam eigentlich nur ein skandinavisches Produkt in Frage. „Über den Sonett bin ich dann zufällig durch einen Bericht in einer Zeitschrift gestoßen – ich wusste vorher nichts von dem Auto.“

Da ist er nicht der einzige. In drei Generationen sind auch nur gut 10.000 Stück gebaut worden – die Story des Saab Sonett ist so tragisch wie kurz: Ursprünglich wollte Saab Ruhm und Ehre der nach dem Krieg wieder auflebenden Rennen wie Mille Miglia, die 24-Stunden von Le Mans und Targa Florio nicht den Deutschen, Italienern und Engländern überlassen. Die Schweden planten, in der 1000-Kubik-Klasse mitzumischen, und entwickelten den Saab Sonett I auf Basis des im Sport bereits erfolgreichen Saab 92. Das Leichtbau-Chassis stammte von Rolf Mellde, der Saab-Designer Sixten Sason setzte darauf eine Glasfiberkarosserie, obwohl Saab mit diesem Werkstoff noch keine Erfahrung hatte. Die Entwicklungsingenieure Lars-Olov Olssen, Olle Lindkvist und Götta Svensson sorgten mit einem Budget von 75.000 Kronen für ein komplettes Auto. Das Auto wurde keine 3,5 Meter lang, besaß kein Dach und wog anfangs gerade mal 500 Kilo. Der Reihendreizylinder-Zweitakter des frisch entwickelten Saab 93 saß aus Gewichtsverteilungsgründen hinter der Vorderachse. Seine 33 PS wurden auf 57 PS getunt.

Am 16. März 1956 präsentierte Saab den Sportler auf dem Stockholmer Automobilsalon, mit dem Plan, bis 1957 2000 Stück des „Saab Sonett Super Sport“ herzustellen. Es wurden gerade mal sechs, wobei die Nummern 2 bis 6 kein Alu-, sondern ein Stahlchassis besaßen. Der Grund für die magere Stückzahl: Die Rennkatastrophen von Le Mans und bei der Mille Miglia ließen die FIA die Reglements ändern – der Sonett I passte nicht mehr hinein.

Erst gut zehn Jahre später fand Saab den Mut, wieder an einen Sportwagen zu denken. Sason stellte den Saab Catherina auf Basis Saab 96 auf die Räder, doch der Saab Sonett II hat andere Eltern. Der Flugzeugdesigner Björn Karlström und der Ingenieur Walter Kern vom Massachusetts Institut of Technology (MIT) entwickelten ebenfalls einen Sportcoupé auf Basis des Saab 96. Die Kunststoffkarosserie dazu entstand bei den Plastikexperten von Malmö Flygindustri. Die wurde bald darauf von Saab übernommen, und der MFI-13 bekam bald darauf den offiziellen Namen Sonett II.

Ab 1966 wurde das Auto in Serie gebaut – 660 Kilo leicht, mit 60 PS aus dem 841 Kubikzentimeter kleinen Dreizylinder-Zweitaktmotor, 3,8 Meter lang, 150 km/h schnell, angetriebene Vorderräder. Allerdings entstanden nur rund 260 Stück mit dem Zweitakter. In den USA war er den englischen kleinen Rennwagen zwar eine ernstzunehmende Konkurrenz, doch die Amis verschärften die Abgasgesetzgebung und machten damit den Einsatz des Zweitakters unmöglich.

Saab reagiert und kaufte den V4 ein, den Ford gerade für den Taunus 12 M entwickelt hatte. Der bot 1,5 Liter Hubraum, 65 PS und damit ein Top-Tempo von 165 km/h. Das bisher verwendete Dreiganggetriebe wich einem mit vier Gängen, das Auto war mit 775 Kilo immer noch sehr leicht – trotz seltener Sicherheitsfeatures wie integrierte Kopfstützen, Dreipunktgurte und Scheibenbremsen vorne. Saab baute noch gut 1600 V4-Sonett II, bis eine erneute Abgas-Verschärfung (Clean Air Act von 1970) das Aus einläutete: Die notwendigen Änderungen in der Gemischaufbereitung des Motors ließ sich nicht in die kleine Karosserie des Autos integrieren.

Aber die Schweden wollten das lukrative US-Geschäfts trotzdem nicht anderen überlassen. Was tun? Ganz klar: Den Motor modernisieren, ihn auf das vorhandene Chassis schrauben und eine neue Karosserie formen. Das Design vergab Saab diesmal nach Italien: Sergio Coggiola zeichnete einen Entwurf mit langer Motorhaube und abfallender Heckpartie. Vorbilder für die Klappscheinwerfer fand er beim Opel GT und der Corvette C3. Die filigranen Strukturen wurden allerdings ab 1972 überschattet durch die mächtigen Stoßfänger, die die US-Gesetzgebung forderte und schon andere Autos wie zum Beispiel den MGB verunstalteten.

1970 und 1971 besaß der Ford-Motor 1,5 Liter Hubraum, später wurden es 1.7 Liter, was ihn wegen erneut schärferer Abgasgesetze aber auch nicht stärker und schneller machte. Letztlich war es die Ölkrise 1973, die dem 165 km/h schnellen Sonett III – und damit der Sonett-Reihe – das Licht ausblies. 1974 war nach immerhin mehr als 8200 Stück Schluss.

Das Exemplar von Jan-Hendrik Dräger ist eines der letzten und mit knapp 90.000 Kilometern noch ziemlich original. Dass ein Saab anders ist als andere Autos, sieht man auf den ersten Blick: Die Türöffner sind aerodynamisch abgedeckt, die „Motorhaube“ ist kaum mehr als eine Serviceklappe. Das Heck wird dominiert von einer Klappe aus Glas, die den Zugang zum Kofferraum ermöglicht. Beeindruckend die großen Klappscheinwerfer, die über eine feste Stange bedient werden, die links unterm Armaturenbrett mit einem Griff samt „Light“-Schriftzug endet. Zieht man daran, tauchen nicht nur die Scheinwerfer auf, sie gehen auch automatisch an. Die Insassen müssen sich durch ein relativ kleinen Eingang zwängen, fallen aber in gut konturierte Schalensitze aus Glasfaser, die dünn gepolstert und mit einem Mix aus Kunstleder- und Cord bezogen sind (toll die per Hand verschiebbaren Lendenwirbelkissen!). Die Dreipunktgurte werden regelrecht eingeklemmt, Sensoren in den Sitzen mahnen über Warnleuchten zum Angurten.

Das Cockpit lässt keinen Zweifel aufkommen, dass Saab seine Ursprünge im Flugzeugbau hat. Drei große Rundinstrumente informieren den Fahrer über alle möglichen Zustände, die Mittelkonsole sieht dank diverser Kippschalter und vertikaler Schieberegler wie im Fliegercockpit aus. Die einst optionale CoolAir-Klimaanlage hat Drägers Auto nicht, aber das brauchten wohl auch nur die Amerikaner. Denn der Sonett III hat Ausstellfenster hinten – für europäische Verhältnisse völlig ausreichend.

Das Fahren mit dem Auto ist eher unspektakulär – 65 PS können keine Bäume ausreißen. Immerhin gelingt der Sprint in rund 12 Sekunden, was dem leichten Gewicht von nur 820 Kilo zu verdanken ist. Und Dräger hat auch mal das Top-Tempo ausprobiert, da zeigte der Tacho knapp 180 km/h an und der Klassiker hat die Tortour schadlos überstanden.

Aber die Außenwirkung des Autos ist phänomenal – kaum ein Passant schaut dem Sonett III nicht mit großen und vor allem ungläubigen Auto hinterher. „Werde ich drauf angesprochen, vermuten die meisten Menschen ein italienisches Auto und sind enttäuscht, wenn sie dann das Saab-Signet entdecken,“ sagt Dräger. „Aber zum Leute kennen lernen ist der Sonett perfekt.“

Und wenn sie sich dann daran gewöhnt haben, dass der Schwede ein Schwede ist, finden sie ihn dann letztlich auch „Sa° nätt“…

Saab Sonett III

Baujahr: 1974
Motor: Vierzylinder
Hubraum: 1.699 ccm
Leistung: 48 kW (65 PS) bei 4.700/min
Max. Drehmoment: 115 Nm bei 2.500/min
Getriebe: Viergang-Handschalter
Antrieb: Vorderräder
Länge/Breite/Höhe: 3.900/1.500/1.190 mm
Gewicht: 820 kg
Beschleunigung 0-100 km/h: ca. 11,7 Sek.
Top-Speed: 165 km/h
Wert (Zustand 2): ca. 15.000 Euro

Fotos: Roland Löwisch

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